Es heißt, der Italiener Marco Polo hat eine Rezeptur für die Herstellung von Speiseeis Ende des 13. Jahrhunderts von einer seiner China-Reisen mitgebracht. Seitdem haben die Italiener die Zubereitung von Eis perfektioniert und gelten als Meister auf dem Gebiet. Roman Feurstein musste nicht ganz so weit in die Ferne schweifen. Es war ein Ausflug im Sommer 2017 in eine Walsersiedlung in Vorarlberg, der die Weichen für seine Zukunft als Eismacher stellte. Der Hüttenwirt dort servierte feines Speiseeis aus eigener Herstellung. Roman war begeistert, das Eis überzeugte geschmacklich, aber vor allem brachte es ihn auf eine Idee.
In einer Zeit, in der nach wie vor Quantität vor Qualität geht und sich der Milchpreis auf einer kontinuierlichen Talfahrt befindet, ist er ständig auf der Suche nach neuen Wegen, um die Landwirtschaft seiner Eltern zu sichern. Mittlerweile hat er den Hof übernommen und es fällt ihm schwer zu akzeptieren, dass man einen anderen Beruf ausüben muss, um sich die Landwirtschaft sozusagen als Hobby leisten zu können. Roman war Feuer und Flamme von der Idee, selbst Eis herzustellen. Für Käse und Joghurt gibt es im Tal bereits eine Reihe von Produzenten, ein Eis aus der eigenen Milch wäre allerdings eine Premiere. Er tauschte sich mit dem Hüttenwirt aus und kaum zuhause, recherchierte er nächtelang im Internet. Die gebrauchsfertigen Rundum-sorglos-Pakete, die es für die selbstständige Eisherstellung gab, überzeugten ihn aber nicht. Für Romans Geschmack steckte darin zu viel Fertigprodukt. Wenn er Eis macht, dann sollte es ganz natürlich und rein sein, so wie auch die Milch aus seiner Landwirtschaft - ohne künstliche Aromen, Farbstoffe, Konservierungsmittel und Volumenverstärker. Roman wollte hundert Prozent ehrliches Genuss-Handwerk.
Ein Landwirt und gelernter Elektroinstallateur will Eismacher werden? So manch einer runzelte die Stirn, wenn er von dem Vorhaben hörte. Unterstützung fand Roman von Anfang an bei seiner Frau Isabella. Aber auch die Firmen, bei denen er sich über Eistechnik und die erforderlichen Maschinen informierte, waren von dem Mut und der Leidenschaft, mit der Roman an die Sache heranging, begeistert. Sie bestärkten ihn in seinem Vorhaben, eine Eismanufaktur aus eigener Kraft aufzubauen und auch in dem Entschluss neben der eigenen Bergbauernmilch ausschließlich hochwertige Rohstoffe in Bio-Qualität zu verwenden.
Sie stellten wertvolle Kontakte her und Roman absolvierte nicht nur klassische Kurse rund um die Herstellung von Eis, sondern machte auch ein Praktikum bei einer traditionellen italienischen Gelateria in der Nähe von Stuttgart. Schließlich ist das Eismachen an sich kein Hexenwerk, doch den Unterschied machen die Feinheiten. Dafür braucht es Erfahrung, Kreativität und ein bisschen Familiengeheimnis. Auch die italienischen Eismeister zeigten sich von dem Quereinsteiger beeindruckt. Sie versorgten Roman mit wertvollen Tipps, standen mit Rat und Tat zur Seite und sie teilten ihre wohlbehüteten Rezepte mit ihm.
Mittlerweile war es tiefer Winter im Kleinwalsertal und die Natur zeigte sich in ihrem weißen Kleid. Auf dem Feurstein-Hof war der Bau der kleinen Eis-Werkstatt so gut wie fertig. Roman las und las, und tauchte immer tiefer in die biochemischen Prozesse ein. Er wollte verstehen, warum ein Eis nicht nur gut, sondern eben sehr gut wird. Wie man das ideale Mischverhältnis der verschiedenen Zuckerarten findet und wie die perfekte Komposition mit der richtigen Dichte, Körper und Schmelz gelingt. Und obwohl langsam alles Form annahm, die Geräte installiert und erste Testproduktionen anliefen, fühlte sich Roman manchmal wie auf einer Fahrt ins Grüne. Hatte der Familienvater zu viel gewagt und seinen sicheren Job zu früh an den Nagel gehängt? Letzte Zweifel wurden ausgeräumt, als er auf einem weiteren Eisseminar Christian Schaberreiter kennenlernte. Der renommierte und preisgekrönte Pâtissier aus Tirol interessierte sich für Romans Geschichte, für den Walser Bergbauernhof und seine Zukunft. Sie blieben über das Seminar hinweg in Kontakt und schließlich kam Christian Schaberreiter ins Kleinwalsertal, um gemeinsam mit Roman und Isabella am Feinschliff der Rezepturen zu arbeiten.
Ein nicht unerhebliches Detail ist der Fettgehalt der Milch. In der Regel sind Eis-Rezepte auf entrahmte H-Milch ausgelegt, nicht auf die fettreichere Vollmilch, wie sie für MILUH Eis verwendet wird. Je nach Weide kann der Fettgehalt der Milch im Sommer zwischen 3,9 und 4,5 Prozent schwanken. Eine Dezimalstelle kann bereits einen sehr großen Unterschied machen und wird von Roman in der Rezeptur berücksichtigt.
Neben einer Eismaschine, die Vollmilch verarbeiten kann, hat er zusätzlich in einen separaten Pasteurisator investiert. Somit kann er seine Milch selbst pasteurisieren und darf sie auch direkt an die Gastronomie verkaufen. In dem Gerät liegt aber auch ein Geheimnis für die Cremigkeit des MILUH Milcheis, denn die fertige Eismasse wird darin vor der Abfüllung mehrere Stunden „durchgezogen“. Erst dann werden die Becher von Hand abgefüllt und kommen zum Nachreifen in den Schockfroster. Dagegen setzt die Lebensmittelindustrie auf ein Mehr an Zucker und chemische Zusätze, um das Eis cremig zu machen. Zudem wird der Eismasse Luft untergeschlagen, während sie in einer Kühlmaschine friert. Eine handelsübliche fünf Liter Eispackung bringt oft nur 2620 Gramm auf die Waage. Bei den von Hand abgefüllten MILUH Bechern sind es ganze 4000 Gramm.
Leider gilt also, je mehr Zucker und Luft, desto cremiger ist das Eis und desto leichter lässt es sich portionieren, selbst wenn es bei Temperaturen von -18 Grad gelagert wird. Für Eis, das handwerklich hergestellt wird wie MILUH Eis, empfiehlt sich dagegen eine Temperatur von -15 Grad, dann bleibt es auch schön cremig.
Es ist so einfach, wie es klingt. Je hochwertiger und reiner die Zutaten, desto besser schmeckt das Eis. Zurückhaltend wird bei MILUH mit Zucker umgegangen, damit sich der natürliche Geschmack der verschiedenen Zutaten entfalten kann. Wie so oft hat uns die Industrie die Geschmacksnerven auch beim Eis schon etwas verdorben. Was an echten Zutaten fehlt, gleichen künstliche Aromen und Farbstoffe aus. Das beste Beispiel ist Vanilleeis, bei dem die Hersteller mit synthetischen Aromen nachhelfen, nicht zuletzt weil der Preis für Vanille nach wie vor in schwindelerregender Höhe liegt. Die gelbe Farbe stammt übrigens nicht von der Vanille, sondern von Karotinen. Statt Sahne steckt in industriell erzeugtem Eis in der Regel billiges Pflanzenfett, künstliche Bindemittel und Volumenverstärker lassen es geschmeidig bleiben. MILUH setzt dagegen auf die Natur. Neben der eigenen Milch werden ausschließlich Zutaten in Bio-Qualität verwendet und die erforderlichen Bindemittel von Agrimontana werden auf Naturbasis hergestellt.
Wenn einen nichts mehr drinnen hält, das Verlangen nach Bewegung an frischer Bergluft übermächtig wird und der Duft nach Frühling ungeahnte Sehnsüchte weckt – dann ist es an der Zeit, den Frühling zu umarmen!
MILUH ist ein Familienprojekt. Während Roman und Isabella nahezu rund um die Uhr Eis produzieren, den kleinen Laden betreiben und auch die Gastronomie beliefern, versorgt und melkt Vater Oskar die MILUH Hauptlieferanten. Natürlichkeit ist auf dem Speiseplan der vier Milchkühe das oberste Gebot. Während sie den Sommer auf unterschiedlichen Weiden im Tal verbringen und auf saftigen Wiesen mit frischen Kräutern grasen, gibt es im Winter in erster Linie sonnengetrocknetes Heu. In nur einem Jahr ist das Eismacher-Handwerk für Roman zur Lebensaufgabe geworden. Eine Herzensangelegenheit, denn für ihn ist es ein Weg, um die Landwirtschaft seiner Familie weiterzuführen und den Lebensraum Kleinwalsertal zu pflegen und zu erhalten. Wenn es die Zeit zulässt, dann findet man ihn sehr wahrscheinlich in einem der vier Alpgebiete, welche die Familie gepachtet hat. Dann packt ihn die Sehnsucht nach dem Älpler-Leben, denn schon als Kind und Jugendlicher hat er die Sommer hier verbracht. Heute schaut Mutter Herlinde auf 60 Stück Jungvieh, aber so gut es geht versucht Roman, sie dabei zu unterstützen.
Im Frühling 2018 konnte MILUH offiziell mit dem Verkauf starten. Schnell fanden sich zahlreiche Abnehmer unter den Hotels, Restaurants und Hütten. Um das feine Milcheis und die laktosefreien Sorbets zu verkosten, besucht man Roman und Isabella am besten im eigenen Laden in Riezlern. Dort gibt es die saisonal wechselnden Sorten in der Waffel und auch im 500 ml Becher für zu Hause. Sobald es eine neue Kreation gibt, erfährt man das auch direkt auf Facebook. Gern gesehen sind dort auch Wünsche für das Winter-Sortiment - gebrannte Mandel, Zimt-Pflaume – wir lassen uns überraschen. Ein Eis geht schließlich immer.