„Kunstschnee“. Nein, das Wort mögen Wilhelm und seine Kollegen gar nicht. „Wir verwenden nur Luft und Wasser, da ist nix Künstliches dabei“, sagt der Mann, der es im Skigebiet Fellhorn/Kanzelwand schneien lässt. Schneimeister nennt man Wilhelm Berktolds Beruf. Mit Frau Holle ist er nicht verwandt oder verschwägert, als „Herr Holle" kann und will er sie nicht ersetzen, aber immer wieder greift er ihr tatkräftig unter die Arme. Nicht mit Kunstschnee, sondern, wie er betont, mit „Maschinenschnee“.
Wenn Familie Schultz ihren Skitag auf toll präparierten Pisten an Fellhorn und Kanzelwand genießt, dann sind daran auch der 45-jährige Oberstdorfer und seine millionenteure Beschneiungsanlage, eine der modernsten im Alpenraum, beteiligt. Doch Wilhelm, Herr Holle, wie entsteht denn nun dein Schnee?
„Als erstes muss die Temperatur stimmen“, sagt der Mann, der seinen Job von der Pike auf gelernt hat und einst mit der Schneeschaufel in der Hand die Spur eines Schlepplifts ausgebessert hat. Die Zauberformel heißt Feuchtkugeltemperatur. Sie speist sich aus der Außentemperatur und der Luftfeuchtigkeit. „Eine sternenklare Nacht, Minusgrade und trockene Luft, dann macht der Job Spaß“, erzählt Wilhelm Berktold.
Dann schießt er, liegt die Feuchtkugeltemperatur bei minus drei bis fünf Grad, aus bis zu 120 Schneekanonen. Wasser verwandelt sich unter dem Druck der Turbinen in Schneekristalle. Und schon rieselt leise der Schnee, der vor allem zum Start in die Wintersaison gebraucht wird. „Unsere Gäste wollen Schneesicherheit - und wir bieten sie ihnen“, sagt der Schneimeister.
Bereits im Frühwinter bildet der Schnee aus der Maschine die wertvolle Grundlage für die Pisten. Ideal ist die Mischung aus Frau Holles und Wilhelms Lieferungen.
Natur- und Maschinenschnee zusammen ergeben eine kompakte Piste, die den Skifahrern und den Allgäuer Kühen gleichermaßen Spaß macht. Denn die Schneedecke schützt die Vegetation darunter vor Frost und scharfen Stahlkanten der Ski. Das Ergebnis sind blühende Wiesen im Sommer und glückliche Allgäuer Kühe, die darauf grasen.
Schneesicherheit hat ihren Preis. Die Bergbahnen Oberstdorf-Kleinwalsertal haben in den letzten Jahren viel investiert. Naturnah angelegte Speicherteiche, Rohrleitungen und Pumpenhäuser sind mit ökologisch sensiblen Bauverfahren entstanden (z.B. im vergangenen Sommer am Ifen) und werden von Wilhelm und seinen Kollegen betrieben und gewartet.
Zwischen drei und fünf Euro, so die groben Schätzungen, kostet die Herstellung eines Kubikmeters Schnee. Deshalb wird genau überlegt, wann und wieviel Schnee hergestellt wird. Als Schneemanager verwalten Wilhelm und seine Kollegen den ganzen Winter lang den kostbaren Stoff, hegen und pflegen und verteilen ihn auf die wichtigsten Stellen. Nacht für Nacht sind die Pistenraupen (siehe unseren Bericht) unterwegs.
Kann man das Schneien lernen, Wilhelm? Herr Holle lächelt. „Es gibt schon Lehrgänge und Seminare“, sagt er, „aber ganz wichtig ist die jahrelange Erfahrung.“ Ihm wurde Frau Holles Kunst geradezu in die Wiege gelegt. Denn sein Vater Fritz fungierte Jahrzehnte lang als Pistenchef an Fellhorn und Kanzelwand. Er sorgte schon für tolle Abfahrten, als es noch keine Schneekanonen gab. Später zählte er zu den Pionieren der Beschneiung.
Ach ja, das liegt Wilhelm am Herzen: „Wir verbrauchen kein Wasser“, betont er. „Nach der Schneeschmelze kommt das Wasser wieder in den natürlichen Kreislauf zurück.“ Und der Stromverbrauch? „Der wird total übertrieben. Unsere Anlage braucht im gesamten Winter weit weniger Energie als ein Hallenbad oder ein mittelgroßes Hotel.“
Bilder: Das-Höchste Bergbahnen Obertdorf/Kleinwalsertal.