„Ah, Grüaß di“, ruft Xander Mathies dem nächsten Skater zu, hebt die Hand, winkt und wünscht wie schon etlichen vorbeiziehenden Wintersportler zuvor „A schöös Täägle!“. Manche halten kurz an und lassen Xander wissen, dass er mal wieder eine exzellente Spur in den Schnee gezogen hat. So geht das jetzt seit zwei Stunden...
Am Morgen erreichte ich gegen 9 Uhr die Steinbockloipe und machte mich für die erste Skating-Runde fertig. Plötzlich sah ich das Räuple, von dem in so vielen Facebook Posts die Rede ist, samt großem Mann, der an den Ketten werkelte.
Ich schnallte wieder ab, lief hin und stellte mich spontan ungefähr so vor:
„Servus, i bin die Susa. Gehörst Du zum Walser Loipenteam und schreibst die tollen Facebook-Einträge? Die sind ja urkomisch! Ich hab gestern Abend mit meinem Gelächter das ganze Walserhaus unterhalten“.
Der große Mann schmunzelt und „outet“ sich als Verfasser der Texte.
„I bin dr Xander“, sagt er und freut sich, dass ich mich so über seine - strikt in Walser-Dialekt geschriebenen - Facebook Posts amüsieren kann. Kurzer Hand glänze ich mit meinem Wissen über sein Prinoth-Kettenfahrzeug und den Konkurrenz-Pistenbullys von Kässbohrer.
Xander ist beeindruckt. Oder tut zumindest so.
Er fragt, ob ich spontan Lust hätte mit ihm einen Kaffee zu trinken, man könne sich doch ein wenig unterhalten. Seitdem sitzen wir hier, am Rand der Steinbockloipe und philosophieren über den Wintersport und das Loipenziehen.
Eigentlich ist Xander selbständiger Schreiner, aber seine Leidenschaft galt schon in seiner Kindheit dem Skifahren und Snowboarden. Als 2010 dann Negativmeldungen zur Steinbockloipe die Runde machten und der Bürgermeister eine neue Loipenpräparation ausschrieb, so erzählt Xander, habe er pragamtisch gehandelt und sich kurzer Hand als neuer Loipenzieher beworben.
Er meint: „weischt, wenn ma said, naemmes ischt net guat, daenn muaß ma`s saelb i d`Haend naeh und versuacha es besser zum macha.“ Ganz nach dem Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“
Zusammen mit zwei Freunden reicht er sein Angebot in der Gemeindeverwaltung ein. Da die drei die einzigen Bewerber sind, bekommen sie den Zuschlag und das Walser Loipenteam um Xander Mathies, Thomas Uth und Bernd Ott, war geboren.
Der Schreiner war bis zu diesem Zeitpunkt noch nie in einer Schneeraupe gesessen, doch seine beiden Teammitglieder standen ihm mit Rat und Tat zur Seite.
Der Rest: Üben, üben, üben! „Weischt, für Sacha wo i im erschta Winter zwei Stund bruucht ha, des mach i jetzt in 20 Minuta“. Xander hat schnell den Dreh raus und zaubert seitdem konstant perfekte Loipen.
Nach der ersten, erfolgreichen Saison gönnte sich das Loipenteam eine neue Pistenraupe und ließ dazu von Kässbohrer und Prinoth verschiedene Fahrzeuge zum Testen anliefern. Sie entschieden sich für das Südtiroler Kettenfahrzeug und sind immer noch sehr zufrieden mit ihrer damaligen Entscheidung. In den darauffolgenden Jahren kaufte sich Xander außerdem noch drei mobile Schneekanonen. Damit produziert er mittlerweile mehrere tausend Kubikmeter Schnee pro Saison. Jetzt ist es auch kein Problem mehr, die Teilstücke im Wald schneesicher zu machen und das holprige Gelände auszugleichen.
„Waenn`s z`Nacht schneit, stand i um viere uuf und gang ga Räuple fahra. Daenn bin i so um achte halbe nüüne fertig“. Nach der Loipenschicht folgt werktags meist noch acht Stunden in seiner Schreinerei. Doch seine Leidenschaft ist der Motor für einen langen Arbeitstag.
Wie legt man eigentlich so eine Spur an, will ich wissen. Das ist Kunst, meint Xander. Doch auch neben dem Gespür für die Ästhetik der Strecke, bedarf es auch Langlaufkenntnisse, um bewerten zu können ob die Kurve eine Gute oder eine Schwierige sei. Diese Kenntnisse hat sich Xander seit Anfang seiner „Loipen-Karriere“ hart erarbeitet.
„Grüaß di Markus“, Xander ist schon wieder am Grüßen.
Markus schnallt die Ski ab, stellt sich mir vor und bereichert unsere kleine Runde. Markus, ein hiesiger Physiotherapeut, kennt Xander schon länger. Sie reden sofort über die zurückgelegten Kilometer und die Dauer von Markus Runde. Eine Stunde, 30 Minunten – „Junge, junge“ denke ich. Ich werde meine Skatingrunde auf die Nacht verlegen, da blamier ich mich wenigstens nicht ... Und habe es noch nicht ganz zu Ende gedacht, da fragt mich der Xander, ob wir beide, also er und ich nicht mal eine Testrunde drehen sollten. Ich sage zu und denke „oh nein!“
Xander schmeißt sich noch schnell in die Skating-Montur – ich warte derweil und beobachte das Treiben.
Die Loipe und die Diplomatie
Nach einer holprigen ersten Fahrt, für dieses Jahr, genießen wir auf dem Räuple unsere restlichen Süßspeisen und reden/plaudern noch ein bisschen.
Xander ist es wichtig, dass ich verstehe, dass es mit dem reinen Pistenpräparieren nicht getan ist. Die Steinbockloipe führt über die Grundstücke von sehr vielen unterschiedlichen Grundbesitzern. Alle müssen mitmachen. Wenn sich einer quer stellt, dann ist es vorbei mit dem Loipentraum.
Er ist diplomatisch, spricht gerne mit den Leuten und kann sich in die Sorgen der jeweils anderen Seite reinversetzen. Wem erfreut sich schon an dem Anblick einer Pistenraupe im eigenen Garten? Oder über das Absägen ganzer Baumäste auf dem eigenen Grundstück ohne vorher gefragt zu werden?
Auch muss man sich als Loipenpräparierer im Frühjahr um die Schäden kümmern. Diplomat Xander räumt sämtlichen Müll akribisch auf, repariert die Felder und hilft beim Wiederaufstellen der Zäune. Nach dem Winter ist vor dem nächsten Winter. Das Walser Loipenteam hat einen 7-Jahresvertrag. Dieser läuft nächsten Winter aus. Das Team möchte auf jeden Fall weitermachen. Xander hat noch viel vor mit der Steinbockloipe – seinem Lieblingsprojekt. Ich drücke ihm und allen Loipenfans die Daumen und dreh noch eine Runde auf dem 5-Kilometer-Skating-Traum.
Text: Susa Schreiner
Bilder: Oliver Farys, Oberstdorf Tourismus